Wettbewerb "RathausQuartier"

2. Rundgang - martinoff architekten Hamburg

in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt: GHP Landschaftsarchitekten Nikolaus Gurr. Christian Schierstedt, Hamburg

Erläuterungsbericht

Leitidee

Eine neue "Mitte" für Kühlungsborn! Das "Stadthaus" ergänzt als neuer Baustein das Rathausquartier. Zusammen mit dem alten Rathaus, Haus Laetitia, Haus Rolle sowie der neuzeitlichen Kita wird ein zentraler öffentlicher Freiraum gebildet, das "Rathaus Forum".

 

Städtebau

Die historisch gewachsene, städtebauliche Struktur der Villenbebauung entlang der Ostseeallee wird aufgegriffen. Das neue Stadthaus orientiert sich am Maßstab der historischen Villen. Ein Anbau an das Haus Rolle wird vermieden, um die "Körnung" des Quartiers beizubehalten. Das vorhandene Rathaus wird durch einen schmalen, losgelösten Baukörper ergänzt, der sich aus den Dimensionen der Giebelfassade des Altbaus ableitet. Eine minimierte, deutlich von den Baufluchten zurückweichende, verglaste Verbindung stellt den Anschluss an das Rathaus her.

Die Blickachsen von der Ostseeallee zum Stadtwald bleiben beidseits des Hauses Laetitia erhalten. Dennoch sind sowohl der Rathausanbau als auch das ‚Stadthaus‘ von der Straße aus präsent und dadurch gut auffindbar.

Das neue Rathaus Forum wird im Norden durch das Haus Laetitia, im Westen durch die Kita und im Osten durch das neue Stadthaus räumlich gefasst. Nach Süden öffnet sich der Raum zum Stadtwald hin. Es entsteht ein zentraler Ort mit Aufenthaltsqualität, von dem aus die öffentlichen Funktionen erreicht werden können.

 

Funktionen

Der Anbau an das Rathaus ist sowohl von Norden als auch von Süden aus zugänglich und beinhaltet im Erdgeschoss den Empfangsbereich mit Poststelle und Fundbüro. Die barrierefreie Erschließung ist durch einen separaten, ebenerdigen Zugang zum Aufzug gesichert. Die WC-Anlagen für Besucher sind im Untergeschoss angeordnet. Personal-WCs befinden sich im Untergeschoss und im 1. Obergeschoss. Der zweite bauliche Rettungsweg ist in dem Baukörper enthalten.

Im neuen Stadthaus werden die öffentlichen Funktionen Bibliothek, Verwaltung und Ratssaal zusammengefasst. Über eine öffentliche Erschließung können alle Funktionen unabhängig voneinander, auch zu verschiedenen Öffnungszeiten, erreicht werden.

Die Bibliothek ist im Erdgeschoss angeordnet und erweitert sich über einen zusammenhängenden Luftraum ins Untergeschoss, das in diesem Bereich an einen abgesenkten Lese-Hof angelagert ist.

Die Verwaltung ist mit dem Bauamt im ersten Obergeschoss und dem Hauptamt im zweiten Obergeschoss angeordnet. Beide Bereiche sind durch eine zentrale, interne Treppe verbunden. Im Bauamt sind Teambüros, die durch Schiebelemente zusammengeschaltet werden können, vorgesehen.

Der Ratssaal befindet sich im Dachgeschoss und erhält durch die gewählte Dachform einen individuellen Raumeindruck. Oberlichter gewährleisten eine großzügige, über Verschattungselemente steuerbare, natürliche Belichtung. Eine nach Süden orientierte Dachterrasse bietet die Möglichkeit, in Sitzungspausen oder bei Feierlichkeiten nach draußen zu treten.

Im Untergeschoss sind 64 Stellplätze untergebracht, die teilweise mit E-Ladesäulen ausgestattet sind. An die Tiefgarage angelagert verläuft ein Verbindungsweg zwischen Rathaus, Neubau und Haus Rolle. Neben dem Kellergeschoss von Haus Rolle ist das Lager der TFK-GmbH angeordnet. Dieses kann sowohl über den Aufzug des Neubaus als auch über den neu in das Haus Rolle eingebauten Aufzug beschickt werden kann. Letzterer wird als einziger Eingriff in Haus Rolle in den Stichflur neben der Treppe eingefügt und stellt die Barrierefreiheit sicher.

 

Materialität / Konstruktion

Sowohl der Anbau an das Rathaus als auch der Neubau werden in Holzbauweise erstellt. Das Untergeschoss ist vollständig in Stahlbetonbauweise geplant.

Die Holzkonstruktionen werden aus massiven Wandelementen und Hohlraum- Deckenelementen, die auch Installationen aufnehmen können, gebildet.

Die Fassaden bestehen beim Rathausanbau aus einer vertikalen Holzschalung, vor der ein diagonales Netzsystem zur Fassadenbegrünung gespannt ist. Der Anbau erscheint als grüner Körper, der sich optisch dem Naturraum annähert und gegenüber der Präsenz des alten Rathauses in seiner Wirkung zurücktritt. Die Westfassade, die dem Altbau zugewandt ist, bleibt holzsichtig. Die Fenster werden als Holz-Aluminium-Rahmenfenster konstruiert. Die Schrägdächer werden mit profilierten Aluminium-Elementen gedeckt, an denen von außen das Tragsystem für die Begrünung befestigt werden kann.

Das Stadthaus wird in den Obergeschossen von bandartig gestalteten Fassaden geprägt, die aus einem Wechsel von horizontaler Stülpschalung und Fensterbändern aus Pfosten-Riegel-Systemen bestehen. Die westliche Erschließungszone mit Nebenräumen erhält eine Verkleidung aus Holzwerkstoffplatten mit einzelnen Fensterelementen. Die Fassade des Erdgeschosses besteht aus gereihten Fensterelementen mit außenliegenden Holzlamellen. Die schrägen Dachflächen werden hier mit Ziegeln gedeckt.

 

Nachhaltigkeit

Der Entwurf ist vom Grunde her flächen- und ressourcensparend angelegt. Durch die Integration der neuen öffentlichen Funktionen in einem Gebäude wird die überbaute Fläche des Quartiers minimiert. Der entstehende kompakte Baukörper hat energetische Vorteile durch ein günstiges AV-Verhältnis und durch die Zusammenlegung der Gebäudetechnik. Dies lässt auch wirtschaftliche Vorteile erwarten. Die Umsetzung in Holzbauweise trägt ebenfalls zur Nachhaltigkeit bei. Für die Beheizung der Gebäude im Quartier wird vorgeschlagen, die Ausbildung eines Nahwärmenetzes zu prüfen. Hierbei kann eine Wärmepumpenheizung mit geringen Vorlauftemperaturen zur Anwendung kommen. Auf den flachen Anteilen der Dächer der Neubauten werden Photovoltaikanlagen vorgesehen.

Das Haus Rolle wird energetisch saniert. Dabei bleibt das äußere und innere Erscheinungsbild weitgehend unverändert. Innendämmung und denkmalgerecht detaillierte Holzfenster tragen dazu bei. Im Stichflur an der Südfassade wird ein Aufzug eingebaut.

 

Freiflächen

Das Quartier erhält eine neue Zonierung, zudem werden neue gemeinschaftliche Funktionen implementiert. Dabei werden die Wegebeziehungen simplifiziert, neue Zusammenhänge geschaffen und das Prinzip der Entsiegelung bzw. Durchgrünung konsequent verfolgt.

Der ruhende Verkehr wird oberirdisch im Osten des Quartiers gebündelt, mit durchlässigen Oberflächenmaterialien gestaltet und so versickerungsfähig. Durch die Konzentrierung der Verkehrsflächen gelingt es, das restliche Quartier vom motorisierten Individualverkehr freizuhalten. Eine Befahrung durch die Feuerwehr wird dabei dennoch sichergestellt. Zukünftig ist ein Rückbau bzw. eine Umnutzung der Verkehrsflächen anzustreben.

Zur Ostseeallee entwickelt das Quartier einen gestalterischen Zusammenhang und wird so als „Einheit“ sichtbar. Zwei neue „Fugen“ leiten die Besucher:innen in das Innere.

Das neue Zentrum bildet das sogenannte "Rathaus Forum", welches im Osten vom Rathaus-Neubau und im Westen durch die Kita flankiert wird. Im Norden werden das Haus Rolle sowie der Rathaus-Anbau über die Wegestruktur angebunden. Das Forum selbst bietet diverse Möglichkeiten. Neben einem Spiel-Ort für Kinder, findet sich ein Bouleplatz, zudem kann gemeinschaftlich gegärtnert werden. Bänke bieten die Möglichkeit zum Verweilen. So entsteht eine aktive grüne Mitte, welche zudem Synergien zwischen allen angrenzenden Nutzungen erzeugt. Im Süden des neuen "Stadthauses" findet sich der sogenannte „Lesehof“, dieser wird durch eine begrünte Terrassierung mit Sitzstufen eingefasst und bietet die Möglichkeit für ruhigere Aktivitäten.

Südlich des Forums bildet eine (mit einzelnen Bäumen bestandene) extensive Wiese den Übergang zum Wald. Eine Verknüpfung von Quartier und Wald entsteht durch diverse Sichtbeziehungen sowie durch eine Wegeanbindung.

Alle Pflanzungen im Quartier sind klimaresilient und pflegeextensiv. Entlang der Ostseeallee werden die Pflanzungen mit Blühaspekten versehen. Durch die vermehrte Durchgrünung entstehen zudem neue Versickerungsmöglichkeiten. Unterbaute Flächen werden mit Retentionsboxen ausgestattet, so kann das Wasser direkt vor Ort zur Bewässerung genutzt werden.

Die zwei vorhandenen, prägnanten Baumgruppen werden erhalten und diverse neue Bäume gepflanzt. Dabei wird eine Mischung von heimischen Arten und „Klima-Bäumen“ vorgeschlagen.